Das Märchen vom Rosengartenblau © Winfried Kerkhoff
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Kapitel
1: Die Rosenbraut
Dunkelblaue
Rosen schenk ich dir zur Nacht. Diese
Nacht der Nächte, die mir Glück gebracht. Ich
schau in deine Augen und tret ins Paradies. Zurück
ich Raum und Zeit, ja alles, wirklich alles ließ. Ich
geh durch einen Bogen von Rosen, dunkelblau. Am
Ende dieses Hauses steht eine Rosenfrau. Und
- ich seh mich, der zögernd hebt die Hand. Ich
schreite auf sie zu, ihr völlig zugewandt. Die
dunklen Blätter fallen, es schimmert helle Haut, doch
da war entwichen die schöne Rosenbraut. |
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Kapitel
2: Der böse Zauber
Rundum,
wo Blätter fallen, zerschellen
sie wie Glas. Die
Rosen sind aus Kristallen, gefährlich
splittert‘s Gras. Wohin
mit meinem Fuße? Der Tritt, er
knirscht und knistert, zerstört,
wohin er stapft. Dabei
es raunt und wispert, das
anschwillt zum Gestöhne in
ungeheurer Schnelle. Und
aus der dunklen Bläue quillt
schreiend weiße Helle, die
alles überblendet, was
kurz zuvor zu sehen war. In
diesem Lichtinferno plötzlich eine
Gestalt, dunkel, aber klar. „Du
drangst in mein gläsernes blauglühend
Rosenreich“, donnerte
es. Ich erschrak, erstarrte
und wurde bleich. „Du wirst zu einem gläsern‘n Rosenstock, aus Kristall, mit
unüberwindlichem Gedörn,
üppig überall. Und
nach der nächsten Blüte, nach
des Sommers Sonne, zertret‘
ich dich und deine Blüten dann
mit größter Wonne!“ Zweige,
Blätter wuchsen mir, dem
Eindringling, Blüten schwollen an. Und
völlig starr ward ich, noch eh‘ entschwand
der grelle Lichtvulkan.
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Kapitel
3: Rosengartenfeste
Einmal
im Monat, wenn blass der
sanfte Vollmond ziehet seine Runde, dann
geschieht ein kleines Wunder, in
dieser Nacht, zu jener Stunde: es
lebt die gläserne Welt. Bevor
der neue Morgen graut regen
sich grazil, die Rosen, vom
Morgenwind betaut. Aus
Zweigen, Stielen recken sich empor
weibliche Gestalten. Nichts
von der Gewalt, die sie zu
buntem Glase ließ erkalten. Froh,
momentan der
rosenen Starre entronnen, werfen
sie alles fort und tanzen
nackt mit Wonnen. Verhaltener
Jubel und ausgelassene Lebensfreude
mach‘n sich breit, auch
hört ich, wenn auch selber starr, dass
sie beklagen ihr großes Leid. Alle
waren sie auf der Suche nach
der Seele des andern, so
wollten sie deswegen in
die Augen des Liebsten wandern. Doch, was sie fanden, hatte sie verwirrt, letztlich
hatten sie sich verfangen und verirrt, als
der böse Geist mit bloßer Gewalt sie zwang zu
bleiben in seinem Rosenzauberbann. Einst
wagte ein Liebster den Weg in
dieses gefährliche Reich. Er
fand seine Liebste, vor Glück wie
der Vollmond so bleich. Noch
ehe die beiden sich
lagen in den Armen, vernichtete
der Zauberer sie
ohn´ Erbarmen. Gewarnt
wartete ich, der Rosenstock, auf
die nächste Vollmondschau und
hoffte, dass ich unter den Tanzenden fände
meine Rosenfrau. - „Du“,
hör ich eine Stimme, fern,
flehend, sanft, gar nicht laut. Ich
öffne die Augen, hoffend, dass
vor mir sitzt die Rosenbraut. Ich
kann nicht entscheiden, ob
ich noch lebe in dem Traum oder
zurück bin aus deinen Augen und
wieder hier in diesem Raum. „Wo
warst du?“, fragt meine Gegenüber. „Ich
wart‘ auf deine Worte schon eine Weile.“ Ich
lächle selig in der Erinnerung. „Wart‘,
ich erzähl dir Zeile für Zeile.“ – Als
ich geendet bei obigem Verlauf, da
hörte ich mit dem Erzählen auf. „Wie
ging die Geschichte zu Ende?“, drängst
du. „Gab es eine glückliche Wende?“
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Kapitel
4: Das Rosenglück
„Einstmals
im Monat, als
Vollmond erhellte die Nacht, hab´
ich die Rosenfrau unter
den Tanzenden ausgemacht. Ich
rief sie bei ihrem Namen `Rosenbraut´. Sie
hat sofort zu mir geschaut. In
ihren Augen entstand heiße Glut. Sie
kam zu mir herüber. Das machte Mut. Das
gab mir Kraft. I in
gegenseitiger Liebe entbrannt, wurde
ich frei, konnt‘ mich bewegen. Nicht
mehr gebannt! Gerettet!
Ich trug sie auf
meinen Armen schön und bloß, verliebt
mich in ihre Brüste und
ihren dunklen Schoß.“ „Warum
ist der Zauberer nicht gekommen und
hat dir die Rosenfrau genommen?“ „Ich
habe doch das Zauberwort gekannt, das
hat draufhin alle
böse Gewalten gebannt.“ „Und
woher wusstest du das
Zauberwort so ganz genau?“ „Du
ahnst es sicher: Von der Rosenfrau. Die
anderen Befreier hatten
es leider nicht gekannt, vor
lauter Freude hatten es ihre
Liebsten nicht genannt.“ „Geht
diese Geschichte auch gut aus?“ „Sie
endet in dem Rosenbogenhaus. Die
Rosenbraut verließ mit mir Hand in Hand und
einem langen Kuss das böse Zauberland. Auf
blauen Rosen im Rosenhaus schlief
ich dann mit ihr, und
jetzt bin auch ich zurück
und wieder hier.“ Bei
den letzten Worten da
ist mir klar, ich wusste ja eh, vor
mir sitzt aus dem Rosenbogenhaus die
geliebte Rosenfee! Auf
dem Tisch steht ein
dunkelblauer Rosenstrauß! Verwirrt
bin ich, die Erinnerung an
die Blumen fällt mir schwer. Standen
sie vor meinem Traum oder jetzt
erst auf dem Tisch? Brachte ich sie her? Ich
breche Rosen, flechte sie in dein Haar. Ja,
so sah sie aus! Du reichst mir die Hand: „Komm!“ In den Augen glimmt
der Rosenbraut Glut. Sie
ist´s!- Und jeder kann erraten, was
ein liebend Paar jetzt tut. © Winfried Kerkhoff
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