Weihnacht im Internat
Dass ich, der Benjamin der Familie, mich einmal freiwillig für einen
Aufenhalt in einem Internat begeistern könnte, hatte wohl keiner
in meiner Familie erwartet. Dennoch fasste ich - noch keine 14
Jahre - den Entschluss, meine Schullaufbahn zu unterbrechen und vom
Gymnasium in Burgsteinfurt abzugehen, das Arnoldinum hieß, und in der Klosterschule
der Steyler Ordensgemeinschaft in St. Arnold bei Wettringen, der dieses
Internat gehörte, meine
Schullaufbahn fortzusetzen. Sicher bin ich nicht, aber der Steyler
Orden war in meiner Familie namentlich wohl bekannt. Ich habe ab dem Moment,
wo ich lesen konnte und früher, die "Stadt Gottes", eine Zeitschrft der
Steyler, die mein Vater bezog und ich im Bücherschrank meines Vaters
fand, gelesen.
Ich hatte 1945 kurz vor Kriegsende meine Aufnahmeprüfung für das
Gymnasium bestanden; wir wohnten damals als von Münster Evakuierte
(1943) in Burgsteinfurt in einem kleinen Häuschen, das einer
ausgedienten Bäckerei als Vorratskammer für Mehl und Brennmaterial
diente und war bewohnt von Ratten und sogar Kakerlaken. Bei einem
Bombenangriff brannte das Haus mitsamt unserem von Müster mitgebrachten
Eigentum ab. Nach Wochen beim Bauern in Horstmar bezogen wir in
Burgsteinfurt ein anderes Haus mit Garten und setzten es in Stand. Von
hier aus musste ich dann zunächst nach Kriegsende vorrübergehend die 5.
Volksschulklasse, bis das Gymnasium wieder Schüler beschulte.
Als
ich die 3. gymnasiale Klasse besuchte mit dem 1. Jahr Latein, meldete mich mein
Vater nach den großen Ferien ab vom Unterricht. Die Verhandlungen mit der Internatsschule
in Wettringen hatten früh begonnen. Wir hatten Kontakte mit Lehrern und Schülern
geknüpft. Der dortige Unterricht hatte mit
Latein in der 1. Gymnasialklasse begonnen. Ich konnte also nicht in die 4. Klasse übernommen
werden. Dafür fehlten mir an Klassenstoff im Fach Latein 2 Jahre. Man
schlug mir vor, einen Jahrgang zurückzugehen und ein Jahr an
Klassenstoff Latein innerhalb der Monate, wo ich keine Schule hatte,
aufzuholen.
So lief es dann auch. Es war für mich eine schöne Zeit der
Vorbereitung. Jeden Tag kam
ein Lateinlehrer und der brachte es fertig, dass ich in der unteren
Klasse mit 1 1/3 Jahr Latein der beste im Fach Latein war. Eine
angenehme
Zeit war es auch, weil ich 2- bis 3mal die Woche Klavierunterricht
nehmen durfte. Im Kloster brachte das mir später Vorteile für den
Harmonium-Unterricht.
Ein zentrales Fest wurde in der Zeit, in der ich in St. Arnold war, das
Weihnachtsfest. Weihnachten hatte auch in meiner Familie einen hohen
Stellenwert, durch den nächtlichen Kirchgang (Ucht), Krippenbau, Weihnachtslieder
und das verschlossene Weihnachtszimmer; alles sehr geheimnisvoll.
Mir
bringen
Adventstage viele Erinnerungen
an früher
zurück. Besonders an die
eigene
Kindheit und an die eigenen
Kinder. Manchem ein bekanntes Phänomen.
Ich war im Internat St. Arnold bei Rheine; wir waren
in der Klasse ca. 25 Jungen im Alter von 14/15 Jahren. Es
war 1949 und kurz vor Weihnacht. Ich lebte
seit dem Frühjahr in diesem Internat. Zum ersten Mal
in meinem Leben war ich
Weihnachten nicht zu Hause. Wie wird das wohl?, fragte
ich mich. Gerade
schmückten wir - das Haus beherbergte nur Jungen - in unserem
Klassensaal eine Tanne, deren Spitze bis zur Decke
reichte. Unendlich viele Lamettastreifen
legten wir auf die Äste, bis die Tanne völlig
versilbert schimmerte. Solch eine Technik war mir
neu, gefiel mir aber sehr. Als ich erwachsen war, habe
ich eine Tanne in meiner Familie zu Weihnacht auch so geschmückt.
Begeisterung! Heute das Lametta zu ersetzen - ist
in meinen Augen ein Muss.
Bald nachdem ich in St. Arnold Schüler wurde, also im Frühjahr hatte
man schon recht
früh dort damit begonnen, mit dem Chor für das Weihnachtsfest zu
üben. Zeitlich war es doch gerade Ostern gewesen. Die Art der
Vorbereitung auf das Weihnachtsfest begeisterte mich.
Ich hatte noch meine Knabenstimme. So kam ich in den dortigen Chor und
sang Alt-Stimme. Der Chor hatte viele Anlässe zu singen. Die
Hauptaufgabe war, zu Beginn der Adventszeit die kleine Heukrippe mit dem
Jesuskind nach oben auf einem Tischim Flur zu begleiten. Damit wurde die
erwartete Ankunft
des "Herrn" (Advent) sichtbar gemacht. Das Christkind blieb auch oben
auf dem Flur stehen. In der hl. Nacht wurde das Kind mit Krippe
in einer feierlichen Prozession - während der Chor singend mitzog - in
die Kloster- Kirche zum Stall gebracht: Christus war erschienen. Für mich war es
eine sehr deutliche Darstellung von Christi Geburt. Danach wurde der Weihnachtsgottesdienst gefeiert.
Auch die Klassenzimmer, die zugleich Tagesräume waren, wurden
geschmückt. In jede Klasse kam ein deckenhoher Weihnachtsbaum, der von
den Jungen gemeinsam geschmückt wurde. Unser Klassenbaum erhielt einen
Silbermantel aus Lametta, das ja heute verpönt ist. Mit recht. Als wir
aber unseren Baum geschmückt hatten, waren wir begeistert und stolz. Mit
Andacht haben wir unsere Tanne betrachtet.
Sehr eindrucksstark war dieser Schmuck -wie gesagt.Von Innen heraus, also am
Stamm beginnend, und von unten
nach oben wurde Lamettefaden neben Lamettafaden gehängt, so dass der
ganze Stamm mitsamt Ästen silbern leuchtete. Ich war so beeinduckt
davon, dass ich mit Frau und kleinen Kindern solch einen Lamettabaum
herrichtete, als wir nach Bau unseres eigenen Hauses in Sendehorst den ersten Baum
schmückten, obwohl das Ereignisse in St. Arnold mehr als ein Jahrzehnt zurücklag.
Zurück
Weihnacht