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Balladen und Geschichten von der Liebe und Ähnlichem

    

Ein gemaltes Märchen oder

Der unbekannte Mann

    

An der Wand russische Bilder,

russische Märchen.

Dumpfe Farben, Silber.

Darinnen ein Pärchen?

 

In einer unverschlossnen Gruft

begraben eine Frau, ein Mann.

Als ob sie im Tod sich noch gesucht,

das Gesicht gewandt nach nebenan.

 

Sie - liegt, enthoben

der Realität, fast bloß.

Er - nur Umriss, verwoben

mit Schwaden, unkenntlich, nebulos.

 

Schleier umschweben

ihre durchsichtige Gestalt,

sich mit mir vor dem Bild verweben,

treten mir entgegen, dunstig, kalt.

 

Sie schwebt aus dem Bild,

taucht, der Göttin Aphrodite gleich,

aus einem Meer, von Nebeln umhüllt,

schön, unbekleidet und weich.

 

Sie berührt meinen Mund

und nimmt meine Hand,

sie lockt, mein Herz wird wund,

mich hin zur Wand.

 

Sie schwebt zurück

in die silbrig nächtliche Welt.

Voll Sehnsucht und Glück

ich folg´ ihr, nichts mich hält.

 

Sie verweist mich

auf die männliche Figur.

Die mit mir verschmelzt sich,

eine Person werden wir nur.

 

Ich bin im und steh vorm Bilde

und trau meinen Augen nicht.

Der Unkenntliche im Nebelgefilde

bekommt mein Gesicht.

 

Da lieg ich wie gefangen.

Sie zu erreichen, chancenlos.

Sie, an ihren Platz gegangen,

schwebt im Gemälde, entrückt und bloß.

 

Mehr und mehr gewinnt der Mann

meine Konturen, füllt die Lücke.

Er schaut das Mädchen an.

Innig sind meine starren Blicke.

 

Doch sie - wie zuvor an dem Orte,

den der Maler ihr gab -

wie tot, aber lächelnd und ohne Worte.

Endlich wissend, wer bei ihr liegt im Grab.

 

Reglos auf das Bild ich blick .

Ich fühl´ es sicher in mir:

Die Frau im Bild ist voller Glück

und er liegt selig neben ihr.

  

© Winfried Kerkhoff

  

  

 

 

  

  

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