Das
Märchen vom Rosengartenblau
Kapitel
1: Die Rosenbraut
Dunkelblaue
Rosen schenk ich dir zur Nacht.
Diese
Nacht der Nächte, die mir Glück gebracht.
Ich
schau in deine Augen und tret ins Paradies.
Zurück
ich Raum und Zeit, ja alles, wirklich alles ließ.
Ich
geh durch einen Bogen von Rosen, dunkelblau.
Am
Ende dieses Hauses steht eine Rosenfrau.
Und
- ich seh mich, der zögernd hebt die Hand.
Ich
schreite auf sie zu, ihr völlig zugewandt.
Die
dunklen Blätter fallen, es schimmert helle Haut,
doch
da war entwichen die schöne Rosenbraut.
Kapitel
2: Der böse Zauber
Rundum,
wo Blätter fallen,
zerschellen
sie wie Glas.
Die
Rosen sind aus Kristallen,
gefährlich
splittert‘s Gras.
Wohin
mit meinem Fuße? Der Tritt,
er
knirscht und knistert,
zerstört,
wohin er stapft.
Dabei
es raunt und wispert,
das
anschwillt zum Gestöhne
in
ungeheurer Schnelle.
Und
aus der dunklen Bläue
quillt
schreiend weiße Helle,
die
alles überblendet,
was
kurz zuvor zu sehen war.
In
diesem Lichtinferno plötzlich
eine
Gestalt, dunkel, aber klar.
„Du
drangst in mein gläsernes
blauglühend
Rosenreich“,
donnerte
es. Ich erschrak,
erstarrte
und wurde bleich.
„Du
wirst zu einem gläsern‘n
Rosenstock, aus Kristall,
mit
unüberwindlichem
Gedörn,
üppig überall.
Und
nach der nächsten Blüte,
nach
des Sommers Sonne,
zertret‘
ich dich und deine Blüten
dann
mit größter Wonne!“
Zweige,
Blätter wuchsen mir,
dem
Eindringling, Blüten schwollen an.
Und
völlig starr ward ich, noch eh‘
entschwand
der grelle Lichtvulkan.
Kapitel
3: Rosengartenfeste
Einmal
im Monat, wenn blass
der
sanfte Vollmond ziehet seine Runde,
dann
geschieht ein kleines Wunder,
in
dieser Nacht, zu jener Stunde:
es
lebt die gläserne Welt.
Bevor
der neue Morgen graut
regen
sich grazil, die Rosen,
vom
Morgenwind betaut.
Aus
Zweigen, Stielen recken sich
empor
weibliche Gestalten.
Nichts
von der Gewalt, die sie
zu
buntem Glase ließ erkalten.
Froh,
momentan
der
rosenen Starre entronnen,
werfen
sie alles fort und
tanzen
nackt mit Wonnen.
Verhaltener
Jubel und ausgelassene
Lebensfreude
mach‘n sich breit,
auch
hört ich, wenn auch selber starr,
dass
sie beklagen ihr großes Leid.
Alle
waren sie auf der Suche
nach
der Seele des andern,
so
wollten sie deswegen
in
die Augen des Liebsten wandern.
Doch, was sie fanden, hatte sie verwirrt,
letztlich
hatten sie sich verfangen und verirrt,
als
der böse Geist mit bloßer Gewalt sie zwang
zu
bleiben in seinem Rosenzauberbann.
Einst
wagte ein Liebster den Weg
in
dieses gefährliche Reich.
Er
fand seine Liebste, vor Glück
wie
der Vollmond so bleich.
Noch
ehe die beiden
sich
lagen in den Armen,
vernichtete
der Zauberer
sie
ohn´ Erbarmen.
Gewarnt
wartete ich, der Rosenstock,
auf
die nächste Vollmondschau
und
hoffte, dass ich unter den Tanzenden
fände
meine Rosenfrau. -
„Du“,
hör ich eine Stimme,
fern,
flehend, sanft, gar nicht laut.
Ich
öffne die Augen, hoffend,
dass
vor mir sitzt die Rosenbraut.
Ich
kann nicht entscheiden,
ob
ich noch lebe in dem Traum
oder
zurück bin aus deinen Augen
und
wieder hier in diesem Raum.
„Wo
warst du?“, fragt meine Gegenüber.
„Ich
wart‘ auf deine Worte schon eine Weile.“
Ich
lächle selig in der Erinnerung.
„Wart‘,
ich erzähl dir Zeile für Zeile.“ –
Als
ich geendet bei obigem Verlauf,
da
hörte ich mit dem Erzählen auf.
„Wie
ging die Geschichte zu Ende?“,
drängst
du. „Gab es eine glückliche Wende?“
Kapitel
4: Das Rosenglück
„Einstmals
im Monat,
als
Vollmond erhellte die Nacht,
hab´
ich die Rosenfrau
unter
den Tanzenden ausgemacht.
Ich
rief sie bei ihrem Namen `Rosenbraut´.
Sie
hat sofort zu mir geschaut.
In
ihren Augen entstand heiße Glut.
Sie
kam zu mir herüber. Das machte Mut.
Das
gab mir Kraft. I
in
gegenseitiger Liebe entbrannt,
wurde
ich frei, konnt‘ mich bewegen.
Nicht
mehr gebannt!
Gerettet!
Ich trug sie
auf
meinen Armen schön und bloß,
verliebt
mich in ihre Brüste
und
ihren dunklen Schoß.“
„Warum
ist der Zauberer nicht gekommen
und
hat dir die Rosenfrau genommen?“
„Ich
habe doch das Zauberwort gekannt,
das
hat draufhin
alle
böse Gewalten gebannt.“
„Und
woher wusstest du
das
Zauberwort so ganz genau?“
„Du
ahnst es sicher: Von der Rosenfrau.
Die
anderen Befreier
hatten
es leider nicht gekannt,
vor
lauter Freude hatten es
ihre
Liebsten nicht genannt.“
„Geht
diese Geschichte auch gut aus?“
„Sie
endet in dem Rosenbogenhaus.
Die
Rosenbraut verließ mit mir Hand in Hand
und
einem langen Kuss das böse Zauberland.
Auf
blauen Rosen im Rosenhaus
schlief
ich dann mit ihr,
und
jetzt bin auch ich
zurück
und wieder hier.“
Bei
den letzten Worten
da
ist mir klar, ich wusste ja eh,
vor
mir sitzt aus dem Rosenbogenhaus
die
geliebte Rosenfee!
Auf
dem Tisch steht
ein
dunkelblauer Rosenstrauß!
Verwirrt
bin ich, die Erinnerung
an
die Blumen fällt mir schwer.
Standen
sie vor meinem Traum oder
jetzt
erst auf dem Tisch? Brachte ich sie her?
Ich
breche Rosen, flechte sie in dein Haar.
Ja,
so sah sie aus!
Du
reichst mir die Hand: „Komm!“ In den Augen
glimmt
der Rosenbraut Glut.
Sie
ist´s!- Und jeder kann erraten,
was
ein liebend Paar jetzt tut.
© Winfried
Kerkhoff
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