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             Wo die Sonne mittags im Norden steht 
             Cruzeiro do Sul in Acre 

 

 

9 Wetter, Regenzeit, Flüsse -

   Im Nordwest von Brasilien

 

Ich hatte in den Büchern von Pater Heriberto, der mich nach Cruzeiro do Sul (Brasilien) eingeladen hatte, gelesen, dass die Regenzeit eine schlimme Zeit war. Da in Acre und Umgebung die meisten Wege weder gepflastert noch asphaltiert sind – man kann sich das hier in Deutschland schlecht vorstellen - , sind sie nach Regenfällen oft über Tage hin wegen der Überschwemmungen und wegen des Schlammes unbefahrbar. P. Heribert war immer wieder auf den Gottesdienstfahrten in den (abgeholzten) Urwald mit seinem kleinen LKW stecken geblieben und musste warten, bis irgendwelche Siedler kamen und sein Auto ausgruben. Eine langwierige Arbeit – oft über Stunden.

Ich habe von ihm gehört, dass er schon mit seinem vierrädrigen Motorrad festgesessen oder umgekippt war, darunter begraben lag und sich schwer verletzt hatte. Und mitunter passiert es ihm auch, dass er zweimal stecken bleibt. Da hilft es auch nicht, dass er einen Toyota-Kleinlastkraftwagen hat, der allradangetrieben ist.

Da ich ja zur Regenzeit – die von Dezember bis April geht – nach Brasilien fuhr, war ich seelisch auf alles vorbereitet. Vor allem, weil die Flüsse zur Zeit meines Aufenthaltes ihren Wasserhöchststand haben mussten, wenn auch der Höhepunkt der Regenzeit schon überschritten war. Als Pater Herbert hier in Deutschland war, hatte ich Bilder vom Hochwasser gesehen, so dass ich mir in etwa ein Bild machen konnte. Sinnvoller Weise haben die Kinder während der Regenzeit Ferien, von ca. Mitte Dezember bis Mitte Februar.

Aber in Cruzeiro und Umgebung war alles anders, als ich ankam. Der Fluss Juruá, über 3000 km lang, ca. 40 – 50 m breit, der in den peruanischen Anden entspringt, durch die Stadt Cruzeiro do Sul fließt und ein rechter Nebenfluss des Amazonas ist, hatte den niedrigsten Wasserstand seit Monaten. Man sagte, dass es seit Jahren solch eine schwache Regenzeit nicht gegeben habe. Der Fluss sollte in der Regenzeit 10 bis 12 m steigen und doppelt so breit sein wie in der übrigen Zeit. Das habe ich, fast hätte ich leider gesagt, nicht erlebt. An den letzten Tagen meiner Reise hatte der Fluss Hochwasser, so dass die Häuser am Ufer nur mit einem Boot zu erreichen waren. 

Ueberschwemmung.jpg (9192 Byte) Hochwasser am Juruá

Aber die Holzstelzen, auf denen die Häuser standen, waren hoch genug, dass das Wasser nicht in die Wohnung lief. Es war noch nicht das viel beklagte Hochwasser, aber man konnte es sich jetzt schon besser vorstellen.

Welche Wassermassen infolge der Regenzeit transportiert werden müssen, lässt sich an den zahlreichen und langen Flüssen Nordbrasiliens ablesen. Der Amazonas ist ca. 4000 km lang und an manchen Stellen 80 m tief, er hat über 200 Nebenflüsse, von denen 15 zwischen 2000 und 3000 km lang sind. Einer dieser langen Nebenflüsse ist der bereits ein paar Mal genannte Iguaçú. Das Deltagebiet des Amazonas ist sehr verzweigt und 265 km breit. Das Wasser fließt an vielen Stellen sehr träge. Das Gefälle zum Meer, dem Atlantischen Ozean, hin ist sehr gering. Bevor die Anden, Gebirge im Westen von Südamerika, geografisch durch Erdverschiebungen angehoben wurden, soll der Amzonas in umgekehrter Richtung geflossen sein. Die Gezeiten des Atlantischen Ozeans – das Mündungsmeer des Amazonas - machen sich bei der Flut bis 800 km ins Land hinein bemerkbar, es kommt gewissermaßen zu einem Rückstau wegen des geringen Gefälles, bei Ebbe dagegen treibt der Fluss das Meereswasser 200 m von der Küste weg.

maeander2.jpg (10063 Byte) Fluss-Mäander vom Flugzeug aus

Eins war aber am Fluss Juruá, der durch Cruzeiro floss, zu beobachten, dass er schnell reagierte. Ein paar Stunden Regen genügten oft – und die brauchten nicht  bei uns gefallen zu sein, sondern in der Nachbarschaft - und der Fluss stieg um Meter. Das bringt für die Schifffahrt Probleme, da sich dann der Anlegeplatz verändert. Einmal, wenn der Anlegeplatz überspült wird, vielleicht sogar weggetragen wird, zum andern, wenn das Wasser sinkt und der Anlegeplatz infolge der Kraft der Strömung an Höhe verloren hat.

Für die kleinen Boote, mit denen man sich von dem Motorista ans andere Ufer übersetzen lassen kann, wenn man handelt, für ca. ein bis zwei Cruzeiro (einen halben bis zu einem Euro), ist das nicht so schwierig, denn die kann man mit ein paar Leuten aus dem Wasserziehen, wohl aber für die größeren Schiffe, die Güter bringen. Schiffe und die Flugzeuge sind nämlich im Norden Brasiliens die Transportmittel schlechthin, Straßen, vor allem solche, die größere Ortschaften verbinden, gibt es kaum. Man fährt in der Regel über die Flüsse und durch den Regenwald unter Wasser mit einem ortskundigen Bootsführer, der auch weiß, mit dem Boot umzugehen.

Die Transamazonika, die ca. 5000 km lange „Autobahn“ – aber einspurig, durch Amazonien vom NO Brasiliens bis Peru  - ist in der Regenzeit an vielen Stellen nicht befahrbar. Sie ist nämlich noch lange nicht überall asphaltiert, oft nur geschoben, und weicht durch den Regen an vielen Stellen der bereits befestigten Kilometer von unten wegen der geringen Packunterlage nach ein paar Jahren wieder auf und bekommt  Schlaglöcher. Wegen der jahreszeitlich unterschiedlichen Wasserhöhe ist es auch schwierig, Brücken z.B. über den Juruá zu bauen – und zu bezahlen. In der gesamten Gegend, wo ich war gab es somit keine einzige Brücke über den Juruá. Man lässt sich mit einem kleinen Boot übersetzten, wenn man ans andere Ufer will. Für größere Wagen benötigt man eine Fähre. Gott sei dank gab es in der Nähe von Cruzeiro etwa 40 km entfernt – eine, die zugleich mehrere Autos über den Juruá bringen konnte. Wenn man in die Siedlungsgebiete nördlich des Juruá gelangen wollte, musste man diese Fähre benutzen.

Es passierte P. Heribert und mir einmal, als wir aus dem Siedlungsgebiet, also aus dem von Siedlern urbar gemachten Urwald kamen, wohin P. Heribert jeden Samstag, um Gottesdienst zu halten hinausfuhr, dass wir mit der Fähre übersetzen wollten , um zurück nach Cruzeiro fahren zu können. In der Nacht hatte es mächtig im Umkreis geregnet, sodass der Fluss um ein paar Meter gestiegen war.

Schon auf dem Weg zur Fähre stöhnte P. Heribert, hoffentlich können wir übergesetzt werden. Ich verstand nicht, worin das Problem liegen sollte. Aber ich bekam es gleich vorgeführt. Die Fähre konnte auf unserer Seite nicht anlegen. Der Anfahrtsweg für Autos zur Fähre stand jetzt unter Wasser, das Boot konnte nicht nah genug heranfahren, weil das Ufer zu seicht war, die Rampe, die alles hätte überbrücken können, konnte nicht heruntergelassen werden, da die Ketten gerissen und verknotet waren. Die Fähre stand jetzt zu hoch über dem Anfahrtsweg – der Bootsrumpf war ja  mitgestiegen bei dem Hochwasser.

Man hätte mit einer  Raupe Erde anschieben können bis zu der Höhe der Rampen am Schiff! Aber! Die Raupe stand an der anderen Uferseite, sie hätte so wohl den Höhenunterschied  auf der anderen Seite beseitigen und auf das Schiff fahren können, aber wie wäre sie auf dieser Seite des Flusses vom Schiff  heruntergekommen? Zudem war der Raupenführer gar nicht da. Denn es war Sonntag. Der musste erst von daheim geholt werden bzw. Nachricht erhalten, dass er kommen sollte. Es standen außer uns noch ein paar andere kleine Lkws und Pkws vor der Anlegestelle. Fahrer und die Mitfahrer/innen hinten auf der offenen Ladefläche, wie hier üblich  warteten geduldig. Was sollten oder wollten sie auch anderes tun? Wir fuhren jedoch zurück in die Siedlung. Dort bekamen wir bei einem Siedler ein Frühstück.

Die Witterung war in den knapp drei Monaten meines Aufenthaltes immer sehr warm. Es war Regenzeit und Sommer. Während in der Heimat der Winter herrschte, es erbärmlich kalt war, so erfuhr ich aus den Emails von Deutschland, stand bei uns in Brasilien das Thermometer fast immer zwischen 26 und 35°, sogar des Nachts oft um 30 °. Es waren nur ein paar Tage, an denen es unter 25° ging, und dann nur über ein paar Stunden. Oft war es dazu sehr schwül, besonders vor einem Regenguss. Manches Mal saß ich vor meinem Schreibtisch und der Schweiß stand mir sogar auf den Händen

Der immer wieder genannte tägliche Regenguss der Regenzeit, kam weder regelmäßig noch pünktlich zur Mittagszeit. Es begann manchmal schon am frühen Morgen zu regnen, wenn es noch dunkel war. Oder es verfinsterte sich am Abend in wenigen Minuten der Himmel und innerhalb kurzer Zeit kam der Guss. 

Entwicklung eines Unwetters

Transamazonika-nochgut.jpg (9408 Byte)Transamazonika-Unwetter.jpg (9203 Byte)Unwetter.jpg (10610 Byte)Unwetter2.jpg (9733 Byte)Unwetter3.jpg (10605 Byte)

Vorausberechnen, wann es mit dem Regen begann oder wann er aufhören würde, konnte man wirklich nicht. Der Schauer dauerte manchmal Stunden oder auch nur eine Viertelstunde.. Eben noch Sonnenschein und dann Regen. Ich war einmal beim Sonnenschein in mein Zimmer gegangen, um ein bisschen Portugiesisch-Brasilianisch zu lernen. Als ich nach einer Viertelstunde wieder nach draußen kam, regnete es in Strömen. Was mich verwunderte, war, welche Mengen Regen immer vom Himmel kam. Dieses Nieseln, das wir im Münsterland kennen, habe ich in all den Wochen in Nordbrasilien sehr selten erlebt.

Ich erinnere mich an meine Kindheit, in der wir an warmen Maitagen, wenn es regnete, zu Hause sagten: Mairegen mach, dass ich größer werde! An solchen warmen Maitagen dachte ich, wenn in Cruzeiro ein warmer Regen vom Himmel schüttete und Erwachsene in  leichter, sommerlicher Kleidung über die Straßen mitunter ohne Eile gingen. Es war eine Rarität, wenn Erwachsene sich durch einen Regenschirm schützten. Bei uns daheim hüllt man sich in Regenmäntel, setzt Hüte auf und schützt sich mit Regenschirmen. Von meinem Zimmerfenster aus konnte ich die Kinder durch die wassergefüllten Schlaglöcher waten sehen, barfuß, manchmal mit Stiefeln. Ich stellte jedoch fest, dass die Kinder bei weitem nicht so häufig durch die Pfützen latschten wie bei uns. In der Regenzeit sind ja die Wasserlöcher fast  jeden Tag mit wenigen Ausnahmen da – dann reizt es nicht mehr so sehr, zu dem sind sie mitunter auch ganz schön tief.

Die hohe Luftfeuchtigkeit jeden Tag während der Regenzeit wirkt sich überall aus. Dinge, die längere Zeit nicht gebraucht werden, zeigen einen Schimmelbelag. Sogar CDs, die irgendwo mit Hüllen – auch wenn es ein Plastikbehälter ist – liegen, sind davon befallen. Man sagt, dass sie nach ein paar Jahren Brasilien nicht mehr brauchbar sind. Sogar die Kleidung in meinen Schrank, den ich oft über Stunden offen hatte, roch nach Wochen muffig, vor allem die aufeinandergeschichteten Wäschestücke, festere Teile im Schrank, z.B.Taschen, hatten sogar einen Schimmelbelag. Dabei waren die Sachen ja nicht einmal ab- bzw. eingeschlossen, sondern lagen offen im Fach.

Zuletzt wollt ihr sicher wissen, wie ich mit dem Klima klar gekommen bin. Bestens kann ich sagen. Im Winter, also wenn wir Sommer haben, ist es in der Regel in der Nacht kühler, d.h. auch schon 16° warm, weil sich die Winde, die dann von den Anden kommend ins Land fallen, auswirken.

Der Sommer ist neben der Wärme durch Feuchtigkeit und Schwüle gekennzeichnet. Die Schwüle konnte ich recht gut vertragen. Schließlich hatten wir, als meine Frau (Erika) noch lebte, aber bettlägrig war, in Spanien und Griechenland mit dem Wohnmobil Temperaturen bis 40° erlebt und überstanden. Die waren selbstverständlich beileibe nicht so drückend wie in Brasilien.

Ab und zu habe ich mal für ein paar Minuten - mehr sollte und dufte man nicht wagen - in der Sonne, aber gut eingeölt gesessen. Eine Mütze habe ich fast immer gegen die starke Sonneneinstrahlung getragen, denn die Sonne steht hier, ca. 7,5°vom Äquator entfernt, sehr steil.

Das Auffallende an der Sonne ist, sie geht senkrecht auf und wieder unter, nicht wie bei uns, wo sie sich am Horizont entlang hangelt. Jeden Morgen konnte ich dieses Schauspiel – wenn es nicht regnete – von meinem Fenster aus beobachten. Mittags steht sie ein wenig im Norden und nicht wie bei uns im Süden. Man kann es an den Schatten sehen, die hier selbstverständlich sehr kurz sind und nach Süden fallen. Peter Schlemil, der ja seinen Schatten verkauft hat, hätte sicher hier in Brasilien unter seinem fehlenden Schatten nicht so gelitten und einen unzufriedenen Käufer gehabt.

Wird fortgesetzt

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