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Vorgeschichte
Immer
schon bewunderte ich die Menschen, die karitativ tätig waren und sich
für irgendein Projekt engagierten. Jeder hat schon - medienwirksam
- von Schauspielern/innen gehört,
die aktiv waren, aber auch von Leuten hier aus Stadt und
Land, die z.B. Gespendetes mit dem Lkw in den Osten, z. B. nach Polen,
brachten. Ich finde das bewundernswert! Und eigentlich
bin ich auch für eine solche Angelegenheit, wenn sie überzeugend
vorgetragen und eine ehrliche Sache ist, gut einnehmbar.
An
einem Abend im September 2000 hörte und sah ich eine Talkshow - im NDR -Fernsehen glaube ich
-, in der Frau Bauknecht - Firma ist ja wohl bekannt - über ihr Ostprojekt berichtete. Sie
sprach in so einer schlichten, aber überzeugenden Art, dass ich
ganz begeistert war. So was könnte ich auch noch tun, dachte ich.
In den nächsten Stunden und Tagen überlegte ich, was ich denn
nun machen könnte. Ihr seht, der Funke war übergesprungen.
Ich
rief meinen Freund Heinz Löker an, der bis vor kurzem Pastor in
Münster gewesen war und erzählte ihm von meinem Vorhaben.
"Du hast doch immer Kontakte zu Gruppen, die in Not sind,
für die man was tun soll, kann und müsste. Hast Du nicht eine Adresse, an
die ich mich wenden kann?" fragte ich ihn und berichtete von
meiner Idee. Er schien gar nicht überrascht. "Komm mal
rüber," sagte er mir. "Ich habe da was für Dich. Ich
denke an Brasilien. Nord-Brasilien! Dort war ich mit einer Gruppe
aus der Pfarre schon, und wir haben uns das angeschaut." Brasilien, hörte
ich, na, gleich so weit? Und ich muss schon sagen, im ersten
Moment, stand ich neben mir am Telefon und sagte mir: "Du
bist ja ganz schön mutig. Musst das denn gleich bis ans Ende der Welt
gehen?"
Ich
fuhr zu ihm nach Münster. Heinz Löker berichtete mir von der
erwähnten kurzen Brasilienreise, von der Kontaktperson Pater Heribert, von
den Erfahrungen in der Missionsstation, von der erwähnenswerten
einfachen Unterkunft im Vergleich zu den verwöhnten Deutschen,
die auf Reise gingen. Von Brasilien als Hochburg des Karnevals
hörte ich nichts. Kein Prunk, aber Armut, Einfachheit, Wildnis,
Anstrengung. Heinz hatte schon einen Brief an Pater Heribert vorbereitet,
den ich per Fax nach Brasilien transportieren sollte. Ich nahm den
Brief. Die Würfel waren gefallen, wenn man mich haben wollte. Heinz wünschte mir viel Glück
bei meinem Unternehmen. Er hat mich mit seinen Glück- und
Segenswünschen auf der Reise in Brasilien begleitet - so wie er
mit uns, Erika und mir und mit unserer ganzen Familie seit unserer Hochzeit durch
Hochs und Tiefs mitgegangen ist.
Ja,
dann ging alles sehr schnell.
Cruzeiro
war der Ortsname jenseits der Meere, an den das Fax gehen
sollte. Natürlich habe ich zu Hause den Atlas erst einmal
herausgeholt und fand die Stadt. Hoch oben im Norden? Aber dann
doch mehr westlich. Am Flusse Juruá, nicht weit vom Amazonas.
Gehört geographisch zum Amazonasbecken. Da
wollte ich hin? Zweifel? Nein! Keine! Oder doch? Ich versandte den Brief per Fax.
Es
war der 21. September. Binnen Stunden hatte ich per Internet
von Brasilien eine Antwortmail und
- eine (allgemeine) Zusage.
Es
gingen eine Reihe Mails zwischen mir und Brasilien hin und her.
Wir kannten uns ja nicht. Mailen - so zeigte sich, war die
einzige Möglichkeit, sich gegenseitig schnell und umfänglich zu informieren.
Ich berichtete von mir, wer ich bin, was ich konnte, was ich
beruflich tat, von meinen Pflegejahre bei Erika, von meinem
Lebensweg. Doch, was ich tun sollte oder könnte, das wurde dabei natürlich
noch lange nicht klar.
Meine
Kinder erfuhren natürlich als erste von meinen Absichten. Ich war
ein wenig überrascht, alle Kinder stimmten meinem Vorhaben
irgendwie zu. Allgemeine Ansicht: "Das ist das Beste, was du
tun kannst!" "Bei dir eigentlich nicht anders zu
erwarten!" Natürlich kam auch ein wenig die Angst zum
Ausdruck, dass ich mich gesundheitlich übernehmen könnte, in der
Anmerkung: "Du musst nicht nach Brasilien fliegen, wenn du
aktiv sein willst, komm zu uns!" Meine Freundinnen und
Freunde waren überrascht, aber fanden den Entschluss gut.
Das machte mich natürlich innerlich stark, meine Reise mit
Konsequenz zu verfolgen. Ein wenig traurig war ich schon, die
Kinder und Enkelkinder und das Grab meiner Frau verlassen zu
müssen wegen meines Vorhabens. Noch nie fehlte mir meine Frau so sehr
als in diesen Tagen vor der Abreise.
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Pater Herbert Douteil
ist als Missionar im Urwald Brasiliens tätig. Hier
hat er die Mythen der Katukina Indianer
zusammengetragen. Bereichert wird das Buch durch
Bilder zu den Mythen, welche von den Katukinas selbst
gezeichnet wurden
(Verlagsanzeige).
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Mythen,
Geschichten und Kultur der Katukina-Indios aus dem
Amazonasgebiet Brasiliens |
Noch
ein besseres Bild als durch die Mails und Bücher, die Pater
Heribert geschrieben und mir hatte zu kommen lassen, bekam ich von dem, was
mir bevorstand, als er selbst wegen ärztlicher Behandlung nach
Deutschland kam, mich besuchte, und ich die ersten Bilder - Dias -
sah und seine Kommentare dazu von
"drüben" erhielt. Die Probleme dieses Landes - die
erfuhr ich in diesen Stunden ein- und nachdrücklich, natürlich
auch in Kurzform. Pater Heribert machte mich auch auf ein
bestimmtes Lernbuch der portugiesischen Sprache aufmerksam.
Eine der Thuiner Schwestern - von denen sind eine Menge in
Brasilien tätig - faxte (Mitte Januar 2001) und rief an. Sie hatte
von Pater Heribert gehört, dass ich nach Brasilien wollte. So klein ist die Welt angesichts der
Mails geworden!
Mutterhaus |
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Der
Ursprung der
Gemeinschaft der
Franziskanerinnen
liegt in Thuine, im
Emsland. Dort befin-
den sich Mutterhaus
und das Generalat St.
Georg
|
Sie
besuchte mich und brachte Fotos von der Zeit mit, als sie selbst
in Cruzeiro gewesen war, und erzählte an diesem Nachmittag bei mir zu
Hause darüber. Spannend waren ihr Bericht! Sie war eine
überzeugende Botschafterin der Brasilianer!
Als
Termine für meine Reise war ja zunächst Ende Dezember 2000
oder Anfang Januar 2001 vorgesehen, wenn noch Platz im Flugzeug zu
bekommen war. Deswegen baute ich in diesem Jahr keine Krippe auf,
auch wenn das mich gerade jetzt nach dem Tode meiner Frau
sehr schmerzte. Aber ich konnte zu diesen Terminen nicht fliegen,
es war kein Platz vorhanden. In Brasilien war die
Karnevalszeit in Sicht und viele - so erzählte man mir - reisen
dort hin. Schließlich bekam ich einen Flug.
Abflugtag |
29.Februar
2001
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Anfang
Januar flog Pater Heribert zurück. Angenehm und hilfreich wäre
es gewesen, wenn ich mit ihm hätte fliegen können. Aber ich
musste - so stellte sich heraus - auch Ende Februar nicht allein fliegen.
Ein Ehepaar aus Neuß, er ist
Pädiater, sollte mitreisen. Beide waren vor 4 Jahren das letzte Mal in Brasilien gewesen und wollten
jetzt zum 4. Mal - ich war voll Bewunderung! - wieder fliegen.
Und die Neußer hatten sich bereit erklärt, mir Einzelheiten aus ihren Erfahrungen
in Cruzeiro do Sul zu
berichten.
So nahm ich näheren Kontakt mit diesem
Ehepaar auf, um es kennen zu lernen. Wir trafen uns in deren
Wohnort Neuß, wo ich sehr freundlich
aufgenommen, festlich bewirtet wurde und von den reichen Erfahrungen
profitierte.
Dr.
B. und seine Frau erzählten begeistert: von ihren
Urwalderlebnissen, von den Menschen dort, von dem Flug, den
Gefahren und notwendigen Vorkehrungen, der medizinische
Prophylaxe, von Bruder Albert, dem Alleskönner und
Alleskönnenmüsser, von der Sprache. Sie hatten auch reichliches
Bildmaterial. Sie berichteten von ihren medizinischen Arbeiten in
Brasilien, bei denen sie Hunderte von Kindern - natürlich
kostenlos - untersucht und medizinisch beraten hatten.
Vier Wochen ihres Urlaubs
wollten sie nun nutzen, um wiederum Kinder um die Missionsstation herum
medizinisch zu beraten. Alle Achtung, dachte ich. Besonders
überlegten wir die Frage der medizinischen Prophylaxe.
Wir
fuhren am selben Tag von Neuß nach Knechtsteden zu dem erwähnten Kloster der
Spiritaner.
Meine Begleiter waren natürlich dort bekannt und hochgeachtet.
Dort erfuhr ich näheres über den Flug, Tag, Uhrzeit und Ort des
Abfluges, wo wir umsteigen mussten,
wo wir übernachten sollten. Auch die Rückreise wurde schon
festgelegt. Alles wurde vorweg gebucht. Das war
gut und auch, dass ich die längste Reise meines Lebens nicht
allein, sondern in Begleitung solch erfahrener Leute machen
konnte.
Übervoll
von Eindrücken, ja, und innerlich begeistert fuhr
ich dann von Neuß mit dem Zug wieder nach Hause, mein Auto war ja schon damals
schonungsbedürftig. Zum Zug war ich mit dem Wagen der Familie
gebracht worden.
Dass
ich nach Brasilien flog, das war nun eine endgültig beschlossene Sache.
Trotz der nicht zu unterschätzenden Gefahren. Alle Informationen
hatten meinen Entschluss nur noch verstärkt. Aber da war noch einiges
vorzubereiten.